Mittwoch, 23. Januar 2008

Paulus und der "dritte Himmel"

Heute beschäftigen ich mich mit der nächsten Begrifflichkeit, über die ich letztens gestolpert bin.
Es handelt sich um die folgenden Verse aus dem 2. Korintherbrief:

Zu rühmen nützt mir wahrlich nicht ; denn ich will auf Gesichte und Offenbarungen des Herrn kommen .
Ich kenne einen Menschen in Christo , vor vierzehn Jahren ( ob im Leibe , weiß ich nicht , oder außer dem Leibe , weiß ich nicht ; Gott weiß es ) einen Menschen, der entrückt wurde bis in den dritten Himmel .
Und ich kenne einen solchen Menschen ( ob im Leibe oder außer dem Leibe , weiß ich nicht ; Gott weiß es )
daß er in das Paradies entrückt wurde und unaussprechliche Worte hörte , welche der Mensch nicht sagen darf .
Über einen solchen werde ich mich rühmen ; über mich selbst aber werde ich mich nicht rühmen , es sei denn meiner Schwachheiten .

(2. Korinther 12: 1-5, Elberfelder)


Schon wieder Begrifflichkeiten, die an keiner Stelle der Bibel auftauchen! Paulus spricht hier von sich selbst, von seiner Entrückung, auch wenn er sich nicht sicher ist ob sie ihm tatsächlich oder in einer Vision geschehen ist. Er spricht davon, in den "dritten Himmel" entrückt worden zu sein, "in das Paradies".
Sogleich frage ich mich: Was ist der dritte Himmel? Wo ist er? Wie ist er? Und wenn es den dritten Himmel gibt- wie viele gibt es insgesammt? Und wie sehen diese aus?

Es ist interessant, denn wenn man sich ein wenig mit dem Thema beschäftigt, so erkennt man schnell bezüge zu altjüdischen Lehren und zu mehreren Apokryphen.

Jeder von uns kennt bestimmt den sprichwörtlichen Ausspruch "sich im 7. Himmel zu befinden". Man gebraucht ihn oft, um die Verliebtheit oder die maximale Wonne auszudrücken. Doch schon einmal gefragt, woher dieser Ausdruck überhaupt kommt?

Es scheint, dass der jüdische Gedanke von sieben Himmeln dem frühen Christentum gut vertraut war. Hierfür einige Parallelen zu apokryphischen Schriften:

1. Das sogenannte slawische Henochbuch (datiert auf ca. 120 n. Chr.), handelt von Henochs Entrückung in die Himmel, wobei ihm die Engel die verschiedenen Himmel zeigen, an der Zahl 7. Bei dem dritten Himmel handelt es sich um das Paradies, also genau um das, wovon Paulus auch spricht.

2. Die Apokalypse des Mose handelt von Adam und Eva nach ihrem Sündenfall. Verfasst wurde sie wahrscheinlich von jüdischen Schriftgelehrten im 2/3. Jahrhundert n. Chr. Dort lesen wir:

4 And he stayed there three hours, lying down, and thereafter the Father of all, sitting on his holy throne stretched out his hand, and took Adam and handed him over to the archangel Michael saying: 'Lift him up into Paradise unto the third Heaven, and leave him there until that fearful day of my reckoning, which I will make in the world.' Then Michael took Adam and left

6 him where God told him.
(Apocalypsis Mosis 38:4ff, leider nur in Englisch gefunden)


Auch hier ist die Rede von einem Paradies in/auf dem dritten Himmel.

In der Himmelfahrt des Levi finden wir ein ähnliches Bild:

Dieses ist der Berg Aspis in Abelmaul. Und siehe, es öffnete sich der Himmel, und ein Engel Gottes sprach zu mir: "Levi, geh hinein! Und ich ging aus dem ersten Himmel in den zweiten und sah dort ein Wasser hängend mitten zwischen diesem und jenem. Und ich sah einen dritten Himmel, viel glänzender als die beiden. Denn es war auch eine unermeßliche Höhe in ihm. Und ich sprach zu dem Engel: "Wozu [ist] dieser?" Und der Engel sprach zu mir: "Wundere dich nicht hierüber, denn du wirst noch vier andere Himmel sehen, glänzender und unvergleichlich, wenn du dort hinaufgegangen sein wirst. Denn du wirst nahe bei dem Herrn stehen und wirst sein Diener sein und wirst den Menschen seine Geheimnisse verkündigen, und über den, der Israel erlösen soll, wirst du Botschaft bringen. Und durch dich und Juda wird der Herr unter den Menschen erscheinen, rettend unter ihnen jegliches Geschlecht der Menschen. Und von dem Anteile des Herrn wirst du deinen Lebensunterhalt haben, und er selbst wird dein Acker, Weinstock, Früchte, Gold, Silber sein.
(Testament Levi: 2)


Auch im Buch "Der Himmelfahrt des Jesaja" ist von sieben verschiedenen Himmeln die Rede.

Interesannter Weise wird in der Bibel so gut wie immer von Himmeln im Plural geredet, was vielleicht auch ein biblisches Indiz auf die Mehrzahl und Abstufung dieser sein könnte.

Judas und das Henochbuch: Die gefallenen Engel

Nachdem ich nun weiter im Henochbuch gelesen habe, viel mir eine zweite Parallele zum Judasbrief auf, und zwar handelt es sich diesmal um die gefallenen Engel. Judas schrieb:
6 und Engel, die ihren ersten Zustand nicht bewahrt, sondern ihre eigene Behausung verlassen haben, hat er zum Gericht des großen Tages mit ewigen Ketten unter der Finsternis verwahrt.
Judas 6, Elberfelder


Die Begebenheit, von der Judas hier spricht, die kennen wir auch in einer weniger ausführlichen Version aus der Bibel, und zwar ziemlich zu Beginn des Buches Mose:

1 Und es geschah, als die Menschen begannen sich zu mehren auf der Fläche des Erdbodens, und ihnen Töchter geboren wurden, 2 da sahen die Söhne Gottes, daß die Töchter der Menschen schön waren, und sie nahmen sich zu Weibern, welche sie irgend erwählten. 3 Und Jehova sprach: Mein Geist soll nicht ewiglich mit dem Menschen rechten, da er ja Fleisch ist; und seine Tage seien 120 Jahre. 4 In jenen Tagen waren die Riesen auf der Erde, und auch nachher, als {O. und auch nachdem} die Söhne Gottes zu den Töchtern der Menschen eingingen und diese ihnen gebaren. Das sind die Helden, welche von alters her waren, die Männer von Ruhm gewesen sind.
(1. Mose 6:1-4)


Hier, aus dem Text aus Mose erfahren wir, dass die Söhne Gottes, Engel, gefallen an den menschlichen Frauen gefunden haben und mit diesen Kinder gezeugt haben. Diese Engelskinder nennen andere Übersetzungen die "Nephilim", Riesen, welche mit der Zeit viel Unheil über die Menschheit gebracht haben sollen. Gott machte diesem mit der Sintflut ein Ende (1. Mose 6:6ff)

Nun, das Henochbuch spricht äußerst ausführlich über diesen Sündenfall der Engel.
Ab Kapitel 6 wird darüber erzählt, wie einige Engel unter der Führung von "Semjasa", beschließen, sich menschliche Frauen zu nehmen, welche daraufhin die Riesen gebähren, welche Unheil über die Erde bringen. Noch zu alldem haben die Engel die Menschen so mancherlei gelehrt, begonnen, von der Schmiedekunst bis hin zur Magie.

Daraufhin erzünt Gott, sodass er die Engel aus dem Himmel verbannt. Doch wohin? Wir lesen in Henoch:

6. Wiederum sprach der Herr zu Raphael: Binde den Azazjel an Händen und
Füßen, wirf ihn in Finsternis, öffne die Wüste, welche in Dudael ist und
stoß ihn in dieselbe.
7. Wirf auf ihn scharfe und spitze Steine und decke ihn mit Finsternis.
8. Dort wird er bleiben immerdar; bedecke sein Antlitz, daß er das Licht
nicht sehen kann,
9. und am großen Tage des Gerichts laß ihn ins Feuer werfen.
Henoch 10:6-9


Hier finden wir exakt das Motiv, was Judas später in seinem Brief niederschrieb, und zwar dass die gefallenen Engel (Azasjel war einer dieser), in einem Ort der Finsternis auf ihr Gericht warten müssen! In Henoch 13:1 wird sogar genau wie in Judas gesagt, dass Azasjel gebunden werden wird.

Um das ganze noch mal interessanter zu machen, finden wir dieses Motiv noch an anderer Stelle in der Bibel, und zwar in 2. Petrus:

Denn wenn Gott Engel , welche gesündigt hatten, nicht verschonte , sondern , sie in den tiefsten Abgrund hinabstürzend , Ketten der Finsternis überlieferte , um aufbewahrt zu werden für das Gericht.
(2.Petrus 2:4, Elberfelder)


Anscheinend hatten die Judenchristen ein größes Interesse an der jüdischen Mythologie, deren Geisterwelten. Vielleicht gehörte es zu ihren ganz alltäglichen Glauben? Ich denke, es werden sich noch andere Parallelen zeigen. Denn anscheinend sind nicht alle "Lehren" gleich biblisch, viele scheinen einfach aus dem jüdischen Kulturraum zu kommen.

Sonntag, 20. Januar 2008

Judas und das Henochbuch: Das Zitat

Ich kann nicht leugnen, dass mich der Judasbrief schon immer irgendwie fasziniert hat. Ein Erzengel Michael, der mit dem Teufel um den Leib Mose kämpft... einfach interessant (Judas 9)! Vor allem, weil an keiner anderen Stelle der Bibel auf so etwas Bezug genommen wird.

Überhaupt schien der Judasbrief immer schon "Exklusivmaterial" zu beinhalten. Judas spricht von dem Propheten Henoch und zitiert diesen wie folgt:
"Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende,
Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet haben"
(Judas 14-15, Elberfelder)
.
Ich habe mich immer schon gefragt, woher Judas diese Information nimmt, denn schließlich kommt Henoch in unserem Bibelkanon kein einziges Mal zu Wort. Das alte Testament zeigt uns nur, dass er gelebt hat, treu mit
Gott wandelte und Gott ihn hinwegnahm:
21 Und Henoch lebte fünfundsechzig Jahre und zeugte Methusalah.
22 Und Henoch wandelte mit Gott, nachdem er Methusalah gezeugt hatte, dreihundert Jahre und zeugte Söhne und Töchter.
23 Und alle Tage Henochs waren dreihundertfünfundsechzig Jahre.
24 Und Henoch wandelte mit Gott; und er war nicht mehr, denn Gott nahm ihn hinweg.
(1. Mose 5:21ff, Elberfelder)


Daraufhin wird nur noch im neuen Testament auf ihn Bezug genommen, wie zum Beispiel dem eben erwähnten Beispiel von Judas, aber auch von Paulus, denn dieser schreibt über ihn:
5 Durch Glauben ward Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehen sollte, und er wurde nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte; denn vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, daß er Gott wohlgefallen habe.
6 Ohne Glauben aber ist es unmöglich, ihm wohlzugefallen; denn wer Gott naht, muß glauben, daß er ist, und denen, die ihn suchen, ein Belohner ist.
(Hebräer 11:5,6, Elberfelder)

Ergo scheint es eine außerbiblische Quelle zu geben, die Judas sehr wohl bekannt war und er diese auch als wichtig ansah.

Nach langen Recherchen erfuhr ich, dass es ein apokryphes Buch "Henoch" gibt. Genau genommen gibt es sogar drei. Mir liegt momentan nur das erste vor, daher beziehe ich mich erstmal nur auf dieses.
In der Wikipedia kann man lesen, dass die ältesten Teile des Buches auf das 3. Jahrhundert vor Christus datiert werden. Die äthiopische Kirche ist die einzige, welche das Henochbuch in ihrem Bibelkanon hat. (Quelle: Wikipedia über ähtiopisches Henochbuch

Dank der heutigen Technik ist das komplette Henochbuch online und sogar auf Deutsch aufrufbar, zu finden auf Projekt Gutenberg, aufrufbar mit folgendem Link: Das Buch Henoch

Ich hatte leider nicht viel Zeit gehabt, darin zu lesen, jedoch stieß ich gleich im zweiten Kapitel auf das, was ich gehofft hatte: Eine eindeutige Parallele zum Judasbrief! Denn vergleicht man Henoch Kapitel 2 mit Judas Vers 14 und 15 staunt man nicht schlecht. Hier die beiden Texte im Direktvergleich:

Kap. 2

Siehe! er kommt mit Myriaden seiner Heiligen, Gericht über sie zu halten, zu vertilgen die Bosen und zu strafen alles Fleisch uber jegliches, was die Sünder und Gottlosen getan und begangen haben gegen ihn.
(Henoch 2)


"Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende,
Gericht auszuführen wider alle und völlig zu überführen alle ihre Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, welche gottlose Sünder wider ihn geredet haben"
(Judas 14-15, Elberfelder)


Siehe, der Herr kommt mit seinen vielen tausend Heiligen, Gericht zu halten über alle und zu strafen alle Menschen für alle Werke ihres gottlosen Wandels, mit denen sie gottlos gewesen sind, und für all das Freche, das die gottlosen Sünder gegen ihn geredet haben.
(Judas 14,15, Luther)


Judas bezieht sich hier, ja er zitiert aus dem Henochbuch, einem apokryphen Buch.
Die damaligen Christen hatten keine Bibeln, und auch kein gesammeltes Werk des "alten Testaments", sie hatten Schriftrollen, später Kodexe (welche sie wahrscheinlich aus Kostengründen nicht mal besaßen sondern in den Tempeln lesen konnten).
 Gehörte das Buch Henoch etwa zu diesen heiligen Schriften, wie auch die Psalmen, Daniel und die anderen? Oder sahen es die Christen nur als "heilig" an, bzw. die Judenchristen?

ich bin mir fast sicher, dass ich auch für das restliche "Exklusivmaterial" in Judas etwas im Henochbuch finde, dazu ein anderes Mal dann mehr.

Intention

Ich habe mich eine zeit lang viel mit dem christlichen Glauben und vor allem ihrer Grundlage der Bibel beschäftigt, und bin dabei auf verschiedene, Interessante Dinge gestoßen.
Ich bin weder christlich noch Wissenschaftler. Diese Gedanken und Schlussfolgerungen habe ich für mich gefunden.

Ich denke es ist immer gut solche Dinge aufzuschreiben, und dies öffentlich zu tun kann vielleicht dem einem oder anderen vielleicht irgendwie weiterhelfen.